Der Grimselpass als Heerstrasse

Herzog Berthold V. von Zähringen
General Charles-Etienne Gudin de la Sablonnière

von Siegfried Steiner

 

Der ausgebaute Grimselweg diente nicht nur als Handels- sondern auch als Feldherrenweg. Auf dem Hügel (bei Obergesteln) vor dem Aufstieg zur Grimsel, errichtete man ein solides Kastell, das dem Dorf auch den Namen gab. Diese Burg, von der aus ein breiter Rundblick möglich war, ging später in den  Besitz der Herren von Ernen. Zu Beginn des 13. Jahrhunderts hatte der ehrgeizige und zielstrebige Herzog Berthold V. von Zähringen (* um 1160; † 18. Februar 1218 in Freiburg im Breisgau)  ein grosses Interesse an dem Handelsweg über die Grimsel nach Italien. Im Jahre 1211 führte Herzog Berthold V. ein gerüstetes Herr über die Grimsel, um die Walliser unter seine Herrschaft zu bringen. Bei diesen Kämpfen wurde die Burg bei Obergesteln zerstört und die Susten (Lagerhäuser) geplündert. Es gelang dem sonst erfolgreichen Feldherrn, Herzog Berthold V., nicht, die Walliser zu bezwingen und sein gut ausgerüstetes Heer erlitt eine empfindliche Niederlage. Nach dem Sieg der Walliser war eine ca. 200 jährige Ruhe um den begehrten Handelsweg über die Grimsel eingetroffen und die Berner verzichteten auf die Hoheitsrechte des oberen Goms und der Grimselstrasse.

 

Im Jahre 1419 erhoben Berner Hoheitsrechte auf das obere Goms. Aus diesem Grunde überschritt am 1. Oktober 1419 ein Heereszug von 13'000 Bernern die Grimsel (2'165 m ü. M.), ohne dabei auf wesentlichen Widerstand zu stossen. Die Siedlungen wurden geplündert und verbrannt. Bei Ulrichen stiess die durch Plünderungen verstreute Vorhut auf die unter der Führung Thomas in der Bündt stehenden Walliser und wurde zersprengt. Die bernsche Hauptmacht brach allerdings diesen Widerstand. In der Bündt fiel bei diesem zweiten Zusammenstoss. Die bernschen Führer wurden aber nachdenklich. Es hatte bis tief in die Berge herab geschneit und man wollte sich nicht gern durch einen frühen Winter den Rückzug abschneiden lassen. Man beschloss deshalb den Kampf abzubrechen und überschritt am 3. Oktober erneut die Grimsel. Zwischen der Passhöhe und dem Hospiz lieferten die nachdrängenden Walliser der Nachhut ein blutiges Gefecht, bei dem an die 50 Berner auf dem Platz blieben. Es war also kein rühmlicher Feldzug und brachte nur Zerstörung und den Tod. Ein Mahnmal in Ulrichen erinnert an die Schlacht von 1419.

 

Später, haben sich die Berner und Walliser auf der Grimsel nicht mehr bekriegt. Von weltgeschichtlicher Bedeutung ist der Kampf der Franzosen gegen die Österreicher am Ende des 18. Jahrhunderts. Am 14. August stiessen die Österreicher und Franzosen auf der Grimselpasshöhe aufeinander. Eine der dramatischen Szenen des Europakrieges vom 14. August 1799 erkor die grossartige, versteinerte, schon damals weltberühmte, Grimselhöhe zu ihrem Kriegsschauplatz.

 

Im Frühsommer 1799 bemächtigten sich die Österreicher unter Haddik von Süden her der Gotthardpositionen, wobei eine Brigade das Oberwallis und eine Formation von zwei Bataillonen die Grimsel von der Scheitelhöhe bis zum Hospiz (1875 m ü. M.) besetzt hielt. Dem Grimseldetachement  oblag die Aufgabe, den nördlich der Alpen liegenden Franzosen die Verbindung mit Italien zu sperren. Die Österreicher gruppierten sich zur Hauptsache um die enge Passage wenig unterhalb des alten Hospizes, die sogenannte "Spitallamm", wo heute die halbrunde Riesenmauer des Grimselstausees errichtet ist.

 

Von dieser Örtlichkeit aus beherrschten die Österreicher den Zugang von Meiringen und der Handegg her. Die Franzosen mit ihrem General Gudin sind mit 4'000 Mann in Guttannen eingerückt und sie waren fest entschlossen, die Österreicher aus ihrer fast uneinnehmbaren Stellung zu verdrängen.

 

Diese Entschlossenheit nützte in diesem Fall nicht das geringste; die Stellung war in der Tat so gut wie uneinnehmbar. Den Österreichern, so sie sich auch wussten, konnte der Aufenthalt nicht recht gefallen, sie froren abscheulich, hatten weit und breit kein brennbares Holz, so dass sie bald begannen, das altehrwürdige Hospiz in Brennmaterialien abzubrechen. Was brennbar war an den Gebäuden, ging in Biwackfeuern auf. Zuletzt blieb von der in hundert Traditionen geheiligten Friedensstätte nur das nackte Mauerwerk zurück. General Massena erteilte General Gudin den Befehl, die österreichische Stellung am 14. August zu stürmen und einzunehmen. Wie gross muss der Schrecken gewesen sein, als er diesen Befehl entgegennahm. Das ganze Haslital sprach von dem aussichtslosen Vorhaben. Mit den 4'000 Franzosen, die hier offenkundig geopfert werden sollten, empfand man Mitleid. Ein ganz Schlauer, der Wirt Fahner von Guttannen, wollte wissen, wie die Franzosen auf die Grimsel gelangen und dort den Österreichern in den Rücken fallen könnten.

 

General Gudin vernahm von der Prahlerei, schenkte ihm Zutrauen und zwang den unvorsichtigen Haslitaler eine Abteilung Schützen auf den besonderen Weg hinter die Österreicher zu führen. Fahner schwenkte mit den Franzosen bei der Hehlmadbrücke gegen den Gelmersee hinauf, traversierte den Gelmer- und Gerstengletscher, um das Nägelisgrätli zu erreichen. Nägelisgrätli ist ein Kamm, der die Grimselhöhe vom Rhonegletscher trennt. Die österreichischen Stellungen hatte man hier schön vor und unter sich.

 

Von dem gelungenen Umgehungsmanöver ahnten die Österreicher natürlich nichts. Ihr Kommandant musste vielmehr glauben, dass die Franzosen, deren Hauptmacht in diesem Augenblick vom Tale her angriff, plötzlich verrückt geworden seien, denn alle derartigen Aktionen hatten bis anhin den Franzosen nur blutige Köpfe eingebracht. Recht selbstbewusst stiegen die Österreicher daher dem Feinde talwärts entgegen, es konnte ja nichts passieren. Da begann aber ein ungeheures Schiessen aus neuer Richtung, von oben und von hinten und es traf die zuerst verblüfften, dann von Panik ergriffenen Kaiserjäger auf verheerende Weise. Fast ohne Gegenwehr flüchtete die österreichische Brigade unter dem feindlichen Feuer den alten Grimselweg nach Obergesteln hinunter, sogar die Verwundeten zurücklassend. Der Überliefung nach soll die Passhöhe von Toten übersät gewesen sein, weshalb der dortige See den Namen "Totensee" erhalten hat. Gross war der Sieg der Franzosen. Ein einfacher Mann aus dem Haslital spielte so, wie ein Jahr später der Walliser Dorsaz am grossen St. Bernhard, weltgeschichtliche Vorsehung.

 

Manches wäre wohl anders geworden, wenn der verwegene Handstreich nicht gelungen und die Grimsel im Besitz der österreichischen Truppen geblieben wäre. Mit dieser Schlacht waren endgültig die kriegerischen Handlungen an der Grimsel abgeschlossen.

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